Es gibt wahrscheinlich wenige US-Amerikaner, die ihn nicht kennen, und wenige Deutsche, die ihn kennen: Warren Buffet, 83-jährige Investoren-Legende, einer der reichsten Männer der Welt. Geschätzt über 60 Mrd. US-Dollar beträgt sein Vermögen, das er überwiegend in seiner Investment-Firma Berkshire Hathaway hält, die seit Jahrzehnten erfolgreich am Markt ist und mit wenigen Mitarbeitern riesige Beteiligungen (u.a. an Coca-Cola und IBM) hält. Zur Hauptversammlung seiner Gesellschaft pilgern Zehntausende in das kleine Omaha, um zu hören, was er ihnen zu sagen hat – ohne Powerpoint-Präsentationen und hochglanz-bebilderte Geschäftsberichte, dafür aber häufig mit jährlichen Anlageergebnissen von 20 Prozent und mehr. Zahlreiche seiner Anlage-Grundsätze haben sich weltweit verbreitet, so z.B. sein Credo nur dort zu investieren, wo man auch das Geschäftsmodell verstehe.

Stellt man sich die Frage, wer in Deutschland das Pendant zu Warren Buffet sein könnte, so merkt man schnell: so jemanden gibt es bei uns nicht. Warum eigentlich nicht? Verfügen wir doch über zahlreiche Weltmarktführer, die ihren Wert in den letzten Jahrzehnten vervielfacht haben und die tolle Investments für einen deutschen Buffet sein könnten. Auch am Geldvermögen scheitert es nicht: eine ganze Zahl deutscher Unternehmerfamilien weist riesige Vermögen aus, die zum Start einer deutschen Berkshire Hathaway leicht ausreichen würden. Aber dennoch: man kennt vielleicht die SAP-Gründer, die einen Teil ihrer Milliarden auch in Unternehmen investieren. Es gibt aber niemand, den man primär – so wie Warren Buffet – mit erfolgreichem Investieren verbindet.

Vielleicht liegt es auch daran, dass uns – zumindest der Mehrheitsmeinung in Deutschland – die Vorgehensweise von Warren Buffet in hohem Maße suspekt ist. Geld damit zu verdienen, dass man gut investiert, anderen über eine börsennotierte Gesellschaft die Möglichkeit des „Mit-Investierens“ zu geben und sich dann noch über hohe Wertzuwächse zu freuen – nein, dass passt zu Deutschland so wenig wie politische Stabilität zu Italien oder Europa-Begeisterung zu England. Wir schätzen denjenigen (zurecht) sehr hoch, der etwas Tolles entwickelt oder produziert, der Weltmärkte mit seinen Produkten beliefert und dabei hohe Gewinne erzielt. Aber wir verstehen nicht, dass ein Mensch wie Warren Buffet davon leben kann, über jahrzehntelang genau in solche Unternehmen zu investieren. Und aus einem kleinen Vermögen eines der größten Vermögen der Welt zu machen.

Wenn er dann noch wie Buffet ankündigt, fast sein gesamtes Vermögen in gemeinnützige Stiftungen einbringen zu wollen und es letztendlich der Gesellschaft zu schenken, bringt es für uns das Fass zum Überlaufen. Jetzt sind wir ganz sicher: hier will einer sein schlechtes Gewissen beruhigen, der im Leben nicht viel geleistet und nur Aktien-Pakete hin- und hergeschoben hat.

Da halten wir es schon für erstrebenswerter, die eigenen Ersparnisse aus der Berufstätigkeit entweder in schwach-rentierliche Geldanlagen (wie Sparbuch, Sparkonten oder Festgelder) anzulegen und „überschüssiges“ Geld zielsicher in Steuerspar-Modellen zu versenken. Die Immobilien-Beteiligung in Spanien, der Gewerbepark in abgelegenen Regionen der neuen Bundesländer und die vielfältigen gescheiterten Wind- und Solarkraft-Investments lassen grüßen.

Was auch manche empirische Untersuchung fundiert: Wir in Deutschland können alles. Außer investieren. Und was man nicht kann, sollte man mit dem Makel des Sinnlosen oder des Unmoralischen belegen. Es kann doch auch nicht sein, durch Wertzuwächse von Unternehmen reicher zu werden, ohne aktiv etwas dafür zu tun. Dass die richtige Auswahl der Beteiligungen sehr schwierig sein kann, lassen wir nicht gelten. Fröhlich-naiv verweisen wir auf den Dart-werfenden Affen, der hin und wieder bessere Aktien trifft als der Aktien-Profi.

Letztlich wollen wir ihn gar nicht, den deutschen Warren Buffet. Dass er – neben anderen US-Anlegern – immer höhere Anteile an der deutschen Wirtschaft besitzt, verfolgen wir nicht, da die meisten von uns ihr Nicht-Wissen über Wirtschaft, Finanzen oder den Aktienmarkt geradezu als besondere Charakter-Eigenschaft verstehen. Wahrscheinlich wird es auch in den nächsten 10 Jahren keinen deutschen Warren Buffet geben. Dabei würde er unserem Land richtig gut tun.