Seit Beginn dieses Jahres hat der DAX 16 % gewonnen. Das bisherige Allzeithoch mit 16.271 Punkten wurde am 19. Mai 2023 abgelöst und bei 16.331 ein Neues erreicht. Doch welche Gründe hat dieser Anstieg? So gibt es doch derzeit einige hemmende Faktoren in Deutschland beziehungsweise weltweit. Der Ukraine-Krieg, hohe Inflation, steigende Zinsen und eine Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums. Zudem wurde von verschiedener Seite immer wieder ein anstehender Kursverlust prognostiziert, der bis dato nicht eingetreten ist. Gehen wir also der Frage nach, aus welchen Gründen der deutsche Leitindex das geschafft hat und ob in Zukunft mit noch weiteren Kursgewinnen zu rechnen ist.

Das Jahr 2022 war kein gutes Börsenjahr. Der DAX ist in diesem Zeitraum um mehr als 12 % gefallen. Durch die Hemmnisse auf der Angebotsseite in Verbindung mit der lockeren Geldpolitik der EZB und der FED schoss die Inflation auf ungekannte Höhen. Insbesondere der Ukraine-Konflikt mit den einhergehenden Sanktionen auf Öl und Gas wirkte wie eine weitere Triebfeder für die Inflation. Energiepreise stiegen stark an und Unternehmen gaben die Preissteigerungen an ihre Kunden weiter. Die Teuerungsrate belief sich im Dezember 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 8,1 % in Deutschland. Die EZB war gezwungen zu handeln und musste ihren Leitzins sowie ihre Anleihekaufprogramme anpassen. Ein Dämpfer für die Märkte. Der DAX schloss im Jahr 2022 mit 13.923 Punkten. Der Leitzins wurde in mehreren Schritten auf mittlerweile 3,75 % (Stand Anfang Mai 2023) angehoben. Aber wieso erfolgte in den vergangenen Monaten dieser rasante Aufstieg auf zwischenzeitlich über 16.300 Punkte?

Dies hat mehrere Gründe. Zum einen hoffen die Börsianer auf ein Ende der Ankündigung steigender Zinsen, sowohl von der EZB wie auch der FED. Das Ziel der Notenbanken ist die Preisstabilität und diese dürfte durch wieder sinkende Inflationsraten langsam wieder erreicht werden. Für April 2023 betrug die Inflation im Vergleich zum Vorjahresmonat 7,2 % in Deutschland. Ebenso rückläufig ist die Inflation in den USA und auch in der gesamten Eurozone wird mit abnehmenden Teuerungsraten gerechnet. Das wiederum ist für das Exportgeschäft deutscher Unternehmen eine gute Entwicklung. Ein weiterer Faktor für sinkende Preise zeigt auch ein Blick auf den Öl- und Gaspreis. Bei der Ölsorte Brent sank der Preis innerhalb eines Jahres um ein Drittel, bei Gas sogar noch stärker. Mit großen Zinsanhebungen scheint also nicht mehr zu rechnen zu sein und das preist die Börse ein.

Des Weiteren blieb der befürchtete Einbruch der Realwirtschaft durch Zinsanhebungen und die horrenden Energiepreise bisher aus. Die 40 Unternehmen des DAX steigerten ihren Umsatz 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 15,5 % auf 1,8 Billionen Euro. Auch im ersten Quartal dieses Jahres wuchsen die Umsätze um weitere 8 %. Vor allem der Automobilsektor verdiente besonders gut. Mercedes wie auch BMW konnten ein hohes Umsatz- und Gewinnwachstum verkünden.

Ein weiteres Thema, das in den Nachrichten immer wieder zu lesen war, ist der Streit um eine Erhöhung der Schuldengrenze in den USA. Bei Nichteinigung zwischen der Opposition und den derzeit regierenden Demokraten droht ein Zahlungsausfall. Dieser Tanz zwischen beiden Parteien ereignet sich alle paar Jahre und beide wissen, welcher Schaden für ihr Land entstehen würde bei Nichteinigung. Eine Einigung kurz vor Ende der Frist wie 2021 ist am wahrscheinlichsten und wurde von den Börsen in den letzten Tagen bereits mit Kursgewinnen vorweggenommen.

Auch wenn der DAX in kürzester Zeit erheblich gewonnen hat und es sicherlich zu kleineren Rücksetzern kommen kann, kann sich mittel- bis langfristig durchaus ein guter Einstiegspunkt ergeben. Der Ausblick nach dem Anstieg der vergangenen Monate könnte auf den ersten Blick wie eine verpasste Chance wirken, aber dennoch bietet die Konsolidierung der Weltwirtschaft neue Chancen auf mehr Rendite. Der Lockdown in China ist zu Ende, die Energiepreise normalisieren sich, keine großen Zinserhöhungen stehen mehr an und diversifizierte Lieferketten tragen weiter zu einer Normalisierung des Warenverkehrs bei. Zwar meint ein Teil der Firmen, dass das Jahr 2023 schwieriger werde, und senkt die Erwartungen. Jedoch kann dies zum Teil auch als Vorsichtsmaßnahme gewertet werden, um später die Erwartungen der Analysten zu übertreffen.

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass langfristig der DAX seit seiner Entstehung 1988 durchschnittlich 7,8 % pro Jahr erwirtschaftet hat, es 2022 zwar einen großen Rücksetzer gab, sich 2023 aber die Chance einer positiven Kursentwicklung bietet.

 

Verfasser: Marcel Gailberger, Praktikant