Anleger können sich bereits seit ein paar Monaten über steigende Zinsen in den USA freuen. Dort erhöhte die US-Zentralbank Federal Reserve in relativ kurzer Zeit zwar vorsichtig, aber dennoch entschlossen schon vier Mal den Leitzins und läutete somit den Weg aus der extremen Niedrigzinsphase ein. Folglich hoffen auch Anleger auf eine baldige Anhebung des Leitzinssatzes seitens der Europäischen Zentralbank (EZB). Bisher wurden sie jedoch – von Sitzung zu Sitzung der EZB – jedes Mal aufs Neue enttäuscht. Begründet wird das Festhalten an dem Leitzins von derzeit 0,0 % und der ultralockeren Geldpolitik der europäischen Währungshüter mit der immer noch geringen Inflation der Eurozone. Dort lag die Kerninflation im Juli dieses Jahres bei 1,2 %. Allerdings erst, wenn sie stabil und mittelfristig bei 2 % liegt, kommt eine Lockerung der Geldpolitik aufseiten der EZB infrage, doch die Inflation will trotz positiver Konjunkturdaten einfach nicht richtig in Schwung kommen.

Als Mario Draghi dieses Jahr bei der EZB-Konferenz im portugiesischen Sintra sprach, hörten die Märkte ganz genau zu. Seine Aussagen ließen bei den Anlegern genügend Interpretationsspielraum, was eine baldige Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik seitens der EZB vermuten lässt. Dementsprechend wirken sich diese Indizien positiv auf die Zinsen in der Eurozone aus. Dies zeigen auch die jüngsten Entwicklungen der Rentenmärkte, denn seit Ende letzten Jahres stiegen die Zinsen der Bundesanleihen weiter an und bewegen sich bei mittleren Laufzeiten erneut im positiven Bereich. Die 10-jährige Bundesanleihe stieg sogar erstmals seit Mai 2015 wieder auf über 0,6 %. Weitere Impulse durch die Notenbanksitzung in Jackson Hole Mitte August dieses Jahres konnten jedoch nicht gegeben werden. Denn weder Janet Yellen noch Mario Draghi äußerten sich zu neuen geldpolitischen Maßnahmen. Dennoch ist es interessant zu beobachten, dass trotz schwacher Inflationszahlen aus den USA, die Zinsen der US-Treasuries einen Anstieg verzeichnen konnten. Grund für die Euphorie an den US-Märkten könnte der eventuelle Beginn der Reduzierung der Fed Bilanzsumme sein, was einen moderaten Zinsanstieg der US-Treasuries zur Folge hätte.

Der leichte Zinsanstieg könnte daher schon als Zeichen gedeutet werden, um an neue Engagements am Wertpapiermarkt zu denken. Doch was hätten steigende Zinsen für Auswirkungen auf das Depot, das vielleicht bei den meisten Anlegern auf ein Niedrigzinsumfeld ausgelegt ist? Kommt es wie erwartet zum baldigen Zinsanstieg, müssen Anleger mit festverzinslichen Anleihen etc. mit deutlichen Kursverlusten rechnen. Die leicht ansteigenden Zinsen verlocken die Anleger in vermeintlich risikolose Anlagen, wie Anleihen, zu investieren. Doch sobald die Zinsen am Markt weiter steigen, sind Anleihekurse in der Abwärtsbewegung und dem Anleger bleiben nur Kursverluste übrig. Die Frage, wie man bei den steigenden Zinsen nun sein Depot vor Kursverlusten schützen kann, liegt daher sehr nahe. Werden steigende Zinsen angenommen, sollten weitere Aufstockungen der Anleihen kritisch gesehen werden vor allem mit mittleren- bis langfristigen Laufzeiten. Sind mittel- bis langfristige Anleihen im Depot enthalten, ist in Zukunft mit Kursverlusten zu rechnen. Insbesondere Mischfonds, welche eine hohe Gewichtung in Rentenpapieren haben, sollten insofern einer genauen Analyse unterzogen werden, da sie momentan mit großen Unsicherheiten behaftet sind.

Optional zu den Rentenpapieren sind daher andere Assetklassen als Alternativen zu nennen. Beispielsweise Mischfonds, die eine geringe Gewichtung von Rentenpapieren aufweisen, denn sie bieten gerade für Anleger mit geringem Marktwissen eine Möglichkeit, ihr Geld diversifiziert anzulegen. Andere Optionen von Investitionen bestehen in Aktienfonds mit Blue Chips, also Standardwerte mit bekannten und umsatzstarken Unternehmen. Aber auch Immobilienfonds oder Total-Return-Strategien können für den einen oder anderen Anleger eine lukrative Option sein, sofern der Anlagehorizont langfristig ist.

Spannend bleibt also nach wie vor, wie sich die EZB bei ihren nächsten geldpolitischen Sitzungen äußern wird und wann die tatsächliche Zinserhöhung kommen wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese noch eine Weile dauern kann, ist dennoch hoch, denn ehe es zu einem Leitzinsanstieg kommt, muss zuerst das Anleihekaufprogramm der EZB langsam zurückgefahren werden, was sich aber bereits andeutet. Die Höhe des monatlichen Anleihekaufprogramms liegt derzeit bei 60 Mrd. EUR. Für Anleger heißt es also genügend Durchhaltevermögen zu zeigen und Ruhe zu bewahren.