Crowdfunding ist ein Massenphänomen, das es schon so lange gibt wie die Massen selbst. Das Internet bietet hierbei ganz neue Möglichkeiten. Barack Obama sammelte bei seinem letzten Wahlkampf rund eine dreiviertel Milliarde US-Dollar Spenden, wovon ein großer Teil durch das Web 2.0 kam. Und genau das verbirgt sich hinter Crowdinvesting. Dabei geht es um die Anlage vieler Investoren mit jeweils relativ kleinen Beträgen, die in der Masse jedoch eine große Summe ergeben können. Gesammelt wird über Internetportale, die das Geld anschließend in Startup-Unternehmen oder einzelne Projekte investieren. Obwohl teils noch rechtliche Bedenken bestehen scheint die Euphorie kaum Grenzen zu kennen und das Investitionsvolumen steigt.
Andererseits kämpfen Marktteilnehmer und Politiker für verschärfte Regeln auf den Finanzmärkten und bei Börsen, um das Risiko für Privatanleger zu minimieren. Börsengänge sind in Deutschland seit Jahren so gut wie nicht mehr möglich und finden – zumindest bei Privatanlegern – kaum noch Beachtung. Die Anleger kehren den organisierten Finanzplätzen den Rücken und investieren lieber in unregulierte Crowdinvesting-Projekte mit hohem Totalverlust-Risiko. Wie ist dieses Paradoxon zu erklären?
Investoren aus der Crowd interessieren sich weniger für Zahlen, was zählt sind Emotionen. Die Investitionsentscheidung wird nach einer nur zweiminütigen Video-Präsentation getroffen. Beim Crowdinvesting ist es auch möglich für den überlassenen Geldbetrag ein Endprodukt anstelle einer finanziellen Vergütung zu erhalten. Die Investoren sehen sich offenbar als Impulsgeber für Innovationen, sie wollen der erste Nutzer eines Produkts sein, das es auf dem Markt noch nicht gibt. Diese Motivation der Geldgeber senkt die Hemmschwelle enorm. Dennoch dürfte mit steigenden Investitionsvolumina auch der Informationsbedarf größer und der Wunsch nach Rendite konkreter werden. Aus einer großen Anzahl vieler kleiner Investoren resultiert das Erfordernis einer aufwändigen und kostspieligen Investorenkommunikation und –pflege ähnlich der bei börsennotierten Unternehmen.
Wie also lässt sich das widersprüchliche Verhalten von Investoren zwischen „alten“ und „neuen“ Finanzmärkten auflösen? Auch digitale Marktplätze sind den typischen Entwicklungszyklen unterworfen. Wie der Neue Markt gezeigt hat: der Euphorie wird Ernüchterung und anschließend eine Regulierungswut folgen. Eine Lektion lässt sich daraus ableiten. Die etablierten Finanzmärkte und Unternehmen können von der emotionalen Art der Unternehmenspräsentation und Entscheidungsfindung der Crowd-Investoren lernen. Und Crowdinvesting kann sich auf die Gesetze des Marktes verlassen: sobald die Euphorie verflogen ist entscheiden immer wieder Rendite, Transparenz und Vertrauen.