Beschleunigt die  Corona-Krise das Tempo der Nachfolgeprozesse?

Der Mittelstand in Deutschland hat insgesamt viele erfolgreiche Jahre hinter sich. Der Aufschwung der letzten 10 Jahre hat häufig gute Umsatz- und Ertragszahlen gebracht. Hohe Eigenkapitalquoten und die Finanzierungsmöglichkeiten über zinsgünstige Kredite trugen zur Stabilität sehr bei.

Ein anderer Aspekt blieb allerdings in vielen Fällen unbefriedigend gelöst und für die Zukunft des Mittelstands bedrohlich. Viele Unternehmen im Mittelstand werden von Geschäftsführern geleitet (häufig alleine), die bereits im Rentenalter sind und die es im Aufschwung immer wieder verschoben haben, die Nachfolgeproblematik konsequent anzugehen. Gemäß dem Mittelstandspanel der KfW hat sich der Anteil von Inhabern im Mittelstand im Alter von über 55 Jahren von 2002 auf 2016 fast verdoppelt (von 20 % auf 39 %), während der Anteil der Altersklasse unter 40 Jahren fast auf die Hälfte fiel (von 28 % auf 15 %).

Die aktuelle Krise und ihre Auswirkungen im Mittelstand werden in vielen Fällen die Nachfolgeprozesse beschleunigen:

  • Als Folge der Krise werden viele Unternehmen ihre Strategie – von der Digitalisierung bis zur Kundenansprache – analysieren und anpassen müssen. Hierfür werden die Kenntnisse und Impulse jüngerer Unternehmer von entscheidender Bedeutung sein.

 

  • Für die Aufrechterhaltung der Unternehmen und die nachhaltige Krisenbewältigung werden deutliche Aufstockungen der Finanzierungsmittel notwendig sein. Kapitalgeber werden in dieser Situation bei älteren Geschäftsführern nicht akzeptieren, dass die Nachfolge nur als langfristige Perspektive dargestellt wird, sondern die konkrete Umsetzung fordern.

 

  • Familienangehörige und Führungskräfte im Unternehmen werden es nicht akzeptieren, in der Krise einen wesentlichen Teil des Krisenmanagements zu leisten, aber von der Übertragung von Anteilen bzw. Geschäftsführerpositionen weiter ausgeschlossen zu sein und nur geringe Entscheidungsspielräume zu haben.

 

  • Die „Nach-Krisen-Zeit“ wird dazu führen, dass Rollen-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse gerade auch in Unternehmer-Familien in Frage gestellt und diskutiert werden und nach neuen Lösungen gesucht wird. Mögliche Generationen-Konflikte können dazu führen, dass entweder Unternehmen innerhalb der Familie übergeben oder – falls die Familien sich nicht einig werden – an Dritte verkauft werden.

 

  • Aufgrund der geschäftlichen Einbrüche und niedrigerer Unternehmenswerte werden mehr potenzielle Käufer in der Lage sein und Interesse daran haben, Unternehmen zu kaufen – sofern deren Aussichten für die Zeit nach der Krise Perspektiven erkennen lassen. Auch wird die Beschäftigungsentwicklung in großen Konzernen dazu führen, dass wieder mehr junge Menschen eine Selbstständigkeit und eine Unternehmensübernahme für sich in Betracht ziehen.

 

  • Gleichzeitig wird der eine oder andere Geschäftsführer im höheren Alter in der Krise erkennen, dass ein Ausstieg – auch zu niedrigeren Verkaufspreisen – für ihn und seine Lebensqualität bessere Perspektiven mit sich bringt als ein starres Festhalten am Status Quo. Ein – in viel Fällen – langanhaltendes „Sich aus der Krise arbeiten“ droht zu einer Überforderung gerade für ältere Geschäftsführer zu werden.

Fazit:

Unternehmensverkäufer sollten dafür sensibilisiert werden, dass Höchstpreise – wie sie zuletzt durchaus möglich waren – vermutlich auf längere Sicht nicht mehr erzielbar sein dürften. Andererseits wird ihr Unternehmen für potenzielle Nachfolger wieder interessanter.

Ein „Aufschieben“ der Nachfolgelösung auf die Zeit nach der Krise ist keine gute Lösung. Niemand weiß, wie lange diese ggf. dauert und wichtige Entscheidungen werden nicht getroffen. Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele aus der Finanzkrise 2008/09.

Prof. Dr. Hendrik Wolff/Dr. Mirko Häcker