An sich ist das Geschäftsmodell des von den Samwer -Brüdern gegründeten Internetunternehmens Rocket Internet plausibel. Man bietet Unternehmen mit Wachstumschancen durch das Bereitstellen von Wagniskapital die Möglichkeit, sich in der Entwicklungsphase durchzusetzen. Im Gegenzug verwaltet und verkauft man bei solidem Wachstum die Beteiligung und kann somit von der Entwicklung des Start-Ups profitieren. Jedoch scheint das Geschäftsmodell des Konzerns nicht richtig zu funktionieren. Die Aktienperformance des im Oktober 2014 erstmals an der Börse notierten Unternehmens verlief äußerst ernüchternd: Seit Beginn des Börsenganges sank der Kurs um mehr als 50%. Aktuelle Prognosen verkünden sinkende Buchwerte der Aktie sowie Jahresfehlbeträge im negativen dreistelligen Millionenbereich. Dem Konzern droht die Gefahr, immer mehr Anleger durch mangelnd überzeugungsfähige Investor Relations-Arbeit abzuschrecken.
Die Gründe zur Besorgnis sind zahlreich – die Umsätze im ersten Halbjahr 2016 entwickelten sich in eine enttäuschende Richtung: Lediglich 29 Millionen Euro Umsatz konnten im Vergleich zu 71 Millionen im ersten Halbjahr 2015 erwirtschaftet werden. Zuletzt sorgte Rocket Internet mit der Meldung über einen Verlust von 617 Millionen Euro sowie einer starken Abwertung ihres Tochterunternehmens Global Fashion Group für großen Zweifel bei Anlegern.
Als Anteilseigner muss man nicht nur stahlharte Nerven, sondern auch einen festsitzenden Gurt mitbringen, um nicht spontan von der Rakete abzufallen. Die Investor-Relations-Arbeit des Internetkonzerns lässt bei den alles andere als positiv stimmenden Unternehmenskennzahlen deutlich zu wünschen übrig. Es wird Positives suggeriert, wo es im Grunde genommen nichts Positives zu berichten gibt. Ob man gegen Ende des Jahres 2017 am Ziel, drei Beteiligungen operativ profitabel zu machen, festhalten kann, ist mehr als fraglich.
Das Image leidet erheblich. Ein häufig genannter Kritikpunkt ist, dass Geschäftsmodelle erfolgreicher Firmen – speziell aus den USA – schlicht kopiert werden. Als Beispiel wäre hier die Involvierung Rocket Internets im Verkauf von MyCityDeal zu nennen. Das Geschäftsmodell des Unternehmens ist an das US-amerikanische Unternehmen Groupon angelehnt, das sein Geld mit dem Angebot von Kollektivrabatten verdient. In diesem Fall ist das Kopieren nicht einmal erfolgsversprechend, da das Unternehmen aus den USA Schwierigkeiten hat, bei Kunden ein positives Image aufzubauen.
Was läuft schief bei Rocket Internet? Vor allem die Glaubwürdigkeit in der Kommunikation zwischen Vorstand und Investoren ist stark beschädigt. Der Internetkonzern möchte hoch hinaus, jedoch fehlt hierfür in vielen Bereichen der Treibstoff. Die Aktionäre scheinen den Ambitionen der Samwer-Brüder nicht mehr zu trauen. Anstatt Investoren von der eigenen Vision zu überzeugen, wirft man ihnen vor, das Geschäftsmodell des Konzerns einfach nicht verstanden zu haben. Das ist nicht nur übertrieben selbstbewusst, sondern arrogant. Bei einer guten Investor-Relations-Kommunikation geht das Management auf die Sorgen der Investoren ein. Im Falle von Rocket Internet würde dies bedeuten, sich des Image als Klonfabrik zu entledigen und den Anlegern ein nachhaltiges sowie glaubwürdiges Geschäftsmodell zu präsentieren.
Dass das Geschäftsmodell auch funktionieren kann, zeigt die positive Entwicklung von Zalando. Die Entwicklung des Onlineanbieters, an welcher Rocket Internet beteiligt ist, verläuft in die richtige Richtung und zeigt, welche Erfolgsaussichten sich beim richtigen Einsatz von Wagniskapital für Start-Ups ergeben können. Dass man bei Rocket Internet trotz sämtlicher Kritik nichts an der Kommunikation mit den Investoren ändert, verkörpert nicht nur einen traurigen Zwischenstand für die bisherige Entwicklung des Unternehmens. Es schädigt auch das Vertrauen in Venture Capital als Anlageklasse, das gerade in Deutschland viel zu wenig präsent ist und eigentlich dringend benötigt wird. Es bleibt abzuwarten, inwiefern man aus den Fehlern von Rocket Internet lernen wird.
Richard Freutel