Mitte der siebziger Jahre gründete Herr Müller sein Unternehmen, das er über die Jahrzehnte voller Leidenschaft und Engagement aufgebaut und geprägt hat. Er erinnert sich noch heute genau daran, wie er damals vor der Entscheidung stand, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen oder weiterhin im sicheren Angestelltenverhältnis zu leben. Seine Entscheidung hat er nie bereut und in den vergangenen drei Jahrzenten alle Höhen und Tiefen durchlebt, die man sich als Unternehmer so vorstellen kann. Auch die letzte Krise, bei der er zwischenzeitlich schweren Herzens Personal abbauen musste, konnte er meistern. Seit dem Ende der Finanz- und Wirtschaftskrise läuft das Geschäft wieder rund. Sein Unternehmen erwirtschaftet wieder gute Gewinne und hat bereits weitere Investitionen getätigt, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein – auch diese Eigenschaft zeichnet Herrn Müller aus – er denkt immer einen Schritt voraus und lässt nichts unversucht. Doch heute ist für ihn der Zeitpunkt gekommen: sein mittlerweile 80 Mitarbeiter zählendes Lebenswerk möchte er gerne einem Nachfolger überlassen. So richtig sicher, ob er bereits voll loslassen kann, ist er sich zwar noch nicht – den Wunsch nach etwas mehr Ruhe und einem Winter im warmen Süden hegt allerdings nicht allein nur seine Frau. Nur wie läuft eine solche Nachfolge ab und woran sollte gedacht sein, damit die Nachfolge zu einem echten Erfolg für alle Beteiligten wird?

Ähnlich wie Herrn Müller dürfte es in den kommenden Jahren vielen weiteren Unternehmern in Deutschland gehen. Laut dem aktuellen KFW-Mittelstandspanel stehen in der Bundesrepublik bis 2017 insgesamt rund 580.000 Unternehmen zur Nachfolge an. Bedeutet 580.000 unterschiedliche Unternehmen, für die jeweils eine passende Nachfolgeregelung gefunden werden muss. Dabei geht es neben der Festsetzung eines fairen Kaufpreises für Käufer und Verkäufer in erster Linie auch um den Erhalt der rund 4 Mio. Arbeitsplätze in diesen Firmen. Letzteres steht und fällt oftmals mit dem Erfolg der Unternehmensnachfolge.

Wer sich mit der Nachfolge seines Unternehmens befasst, sollte sich deshalb zunächst drei Fragen stellen:

1. Wer soll mein Unternehmen weiterführen?

Diese erste Frage ist unter Umständen schnell beantwortet. Nämlich genau dann, wenn ein Kind die Familientradition weiterführen möchte oder langjährige Mitarbeiter für eine Nachfolge in Frage kommen. Dies ist jedoch nicht immer der Fall – so führt der Weg oft über Online-Unternehmensbörsen oder andere Netzwerke zu interessanten Kandidaten, was mitunter sehr zeitaufwendig sein kann. Bei der externen Suche empfiehlt es sich im Vorfeld ein Personenprofil zu erstellen, das die Vorstellung eines geeigneten Nachfolgers abbildet. Mit diesem Schritt umgeht man Gespräche, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind und somit nur unnötig Zeit in Anspruch nehmen.

Risiken bei der Nachfolgewahl:

  • Fachliche und persönliche Eignung
  • Neid innerhalb der Belegschaft bei interner Lösung
  • Erhöhte Fluktuation durch Managementwechsel
  • Verschlechterung des Betriebsklimas
  • Nachfolger kann Übernahme auf Dauer finanziell nicht stemmen

 

2. In welchem Umfang möchte ich es veräußern?

Die Frage nach den Unternehmensanteilen die veräußert werden sollen ist eine ganz andere. Hier besteht neben dem Komplettverkauf auch die Möglichkeit, eine bestimmte Quote selbst zu halten. Ein Grund hierfür könnte sein, dass man weiterhin am Erfolg der Unternehmung partizipieren möchte oder die Kontrolle über das Unternehmen nicht ganz abgeben möchte. Letzteres kann einem motivierten Nachfolger allerdings die Möglichkeit nehmen, seine eigenen Visionen in die Tat umzusetzen und somit auch die Weiterentwicklung der Unternehmung bremsen. Nicht selten führt dies auch zum Ende eines Engagements, was  der Suche eines neuen Nachfolgers gleich kommt. Eine sinnvolle Lösung für diese Frage muss ganz individuell gefunden werden.

Mögliche Stolpersteine:

  • Scheitern der Verhandlung durch geforderte Mitsprache des Veräußerers
  • Übermäßige Einflussnahme durch Alt-Gesellschafter nach erfolgreicher Transaktion kann Neu-Gesellschafter behindern
  • Rolle weiterer Gesellschafter wie beteiligte Firmen oder stille Beteiligungen
  • Finanzielle Möglichkeiten des Nachfolgers lassen nur anteiligen Erwerb zu, obwohl Komplettverkauf vorgesehen ist

 

3. Welchen Preis erwarte ich und wie kommt dieser zustande?

Beim Kaufpreis liegen die Vorstellungen von Verkäufer und Interessenten erwartungsgemäß weit auseinander. Dies ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass beim Verkäufer eine bestimme Emotionalität mit im Spiel ist, was manchmal zu optimistischen Preisvorstellungen führt. Der potenzielle Nachfolger sieht die Situation dagegen oft zu kritisch und ist deshalb ebenso weit von der Abgabe eines angemessenen Angebots entfernt wie der Verkäufer selbst.

Um Bedenken und Emotionen gleichermaßen herauszunehmen, bietet es sich an, keine distributive Verhandlung zu führen. Das bedeutet nicht über einen fixen Kaufpreis zu verhandeln, bei dem eine jede Bewegung des Preises nach oben oder unten einen Verlierer hervorbringt. Vielmehr empfiehlt es sich, den Verhandlungsspielraum zu erweitern. Ähnlich wie beim Gebrauchtwagenkauf, wo der Autohändler vielleicht noch einen Satz Winterreifen mit ins Spiel bringt.

Schwierigkeiten bei der Gestaltung des Kaufvertrags:

  • Erhebliche Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage
  • Streitpotenzial über Höhe und Bezugsgrößen variabler Preiskomponenten
  • Einigung über Umfang und Ausgestaltung des Verhandlungsspielraums
  • Rechtssicherheit für beide Parteien durch detaillierte Vertragsniederschrift

 

Man stellt schnell fest, dass bereits die drei Kernfragen nur schwer zu beantworten sind und zur Lösung unzählige Gestaltungsmöglichkeiten denkbar sind. In der Regel fehlt jedoch allen Beteiligten die nötige Erfahrung in der Abwicklung eines solchen komplexen und umfangreichen Projekts. Der Kauf oder Verkauf eines Unternehmens fällt eben nicht – wie die Erstellung der Bilanz – jährlich an.