Betrachtet man die aktuelle wirtschaftliche Situation in Deutschland, so lässt sich insgesamt zu Jahresbeginn ein positiver Befund feststellen: auch wenn sich die globalen Konjunkturaussichten aufgrund der Schwierigkeiten in den Schwellenländern, des anhaltend niedrigen Ölpreises und des relativ niedrigen Wachstums in China eintrüben mögen, bleibt der deutsche Arbeitsmarkt intakt. Seit der Wiedervereinigung waren nie so viele Menschen in Beschäftigung wie jetzt. Insgesamt waren folglich nur 2,92 Millionen Männer und Frauen ohne Arbeit. Dies ist auch auf die gute Auftragslage der vielen mittelständischen Unternehmen zurückzuführen. Als so genannte „hidden champions“ sind sie häufig trotz ihres geringen Bekanntheitsgrades in der Lage, in ihrer jeweiligen Branche zum Weltmarktführer zu avancieren. Darüber hinaus bilden sie 84 Prozent aller Auszubildenden aus und sind regional stark verwurzelt. Gründe für diese erfolgreiche Entwicklung sind vor allem der hohe Innovationsgrad und die enorme Flexibilität der mittelständischen Unternehmen. Bedeutet dies, dass der Mittelstand in Deutschland in den nächsten Jahren vor keinen wirklich großen Herausforderungen steht?
Dem ist mitnichten so: eine der großen Aufgaben wird in den kommenden Jahren die Bewältigung des demographischen Wandels sein. Dabei wird es nicht nur um die Schwierigkeit gehen, neue Mitarbeiter für die kleinen und mittleren Unternehmen zu rekrutieren, sondern vor allem auch darum, Nachfolger für scheidende Geschäftsführer zu finden. Nach Erkenntnissen des Instituts für Mittelstandsforschung stehen bis 2018 jährlich rund 27.000 Unternehmensübergaben an. Hiervon werden etwa 400.000 Mitarbeiter pro Jahr betroffen sein. Da in vielen Fällen eine Nachfolge in der Unternehmerfamilie aus unterschiedlichen Gründen ausscheidet, kommt es darauf an, diese Herausforderung langfristig vorzubereiten. Wird dieses Vorhaben ständig verschoben, kann das für das Unternehmen zu dramatischen Konsequenzen führen. Laut einer aktuellen Analyse der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ziehen sich Unternehmenschefs mit steigendem Alter aus Investitionen zurück, zudem lässt die Innovationstätigkeit nach. Gleichzeitig darf ein wichtiger Aspekt bei dem Thema „Unternehmensnachfolge“ nicht vernachlässigt werden: es geht hierbei nicht nur um die Suche nach einem geeigneten Nachfolgekandidaten und den anschließenden Verhandlungsprozess. Vielmehr kommt es darauf an, das eigene Unternehmen im Vorfeld angemessen fit zu machen, so dass es für potenzielle Käufer ein interessantes Objekt darstellt. An einer angemessenen Nachfolgereife fehlt es aber bei vielen mittelständischen Unternehmen.
In der Praxis treten dabei häufig folgende Schwachstellen auf: erstens wird von Seiten der Geschäftsführung in vielen Fällen versäumt, das Unternehmen organisatorisch optimal für die Zukunft aufzustellen, indem beispielsweise eine zweite Führungsebene unterhalb der Geschäftsführung eingerichtet wird, in der leitende Mitarbeiter schrittweise auf Geschäftsführungsaufgaben vorbereitet werden. Damit könnte die Kundenakquisition und die Kundenbindung nicht mehr ausschließlich vom Geschäftsführer gesteuert werden. Zweitens haben zahlreiche Unternehmen, die zur Nachfolge anstehen, das Problem, dass ihre Kundenstruktur zu einseitig und somit für Nachfolgekandidaten unattraktiv ist. Schließlich gibt es bei den mittelständischen Unternehmen oft ein bilanzielles Problem: die Pensionsrückstellungen. Sie wurden in den meisten Fällen schon vor einigen Jahrzehnten zur Altersvorsorge des Geschäftsführers gebildet und können sich bei konkreten Nachfolgeverhandlungen als Stolperstein erweisen. Potenzielle Nachfolger haben selbstverständlich kein Interesse daran, die Rückstellungen nach dem Kauf des Unternehmens noch für viele Jahre aufrechtzuerhalten.
Diese drei Probleme zeigen, dass Unternehmen gut beraten sind, wenn sie sich selber immer wieder fragen, ob sie wirklich die notwendige Nachfolgereife besitzen. Aufgrund der vielen Möglichkeiten zur Nachfolge von Unternehmen, sind ambitionierte Käufer, die häufig über Managementerfahrung verfügen, aktuell in einer sehr komfortablen Situation. Mittelständische Unternehmer auf diese Herausforderung aufmerksam zu machen und ihnen beim Nachfolgeprozess zu helfen, bleibt eine der wichtigsten Aufgaben für die Politik, die Branchenverbände und nicht zuletzt für die Unternehmensberatungen.