Die Artikel in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen und die Schlagzeilen der Nachrichtenseiten im Internet wecken Erinnerungen an das Jahr 2008: Deutschland im Ausverkauf! Vor acht Jahren sind Staatsfonds in die Kritik geraten, durch Beteiligungen an deutschen Unternehmen politische Einflussnahme auszuüben. Ein Blick in die Tageszeitungen zeigt: das Thema ist wieder aktuell, doch dieses Mal im Fokus: chinesische Unternehmen und der German Mittelstand. Passend dazu hielt Dr. Mirko Häcker Anfang Dezember einen Vortrag mit dem Titel: „Ausverkauf in Deutschland – wandert der Mittelstand jetzt ganz nach China ab?“ beim European Finance Forum in Stuttgart.
Das prominenteste Beispiel kommt aus der jüngsten Vergangenheit – die Übernahme des Roboterherstellers Kuka durch die Midea Group. Tatsächlich nimmt die Zahl der Akquisitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland zu. Die Angst vor einem wirtschaftlichen Kontrollverlust bahnt sich an und die Politik greift das Thema auf. Die Bundesregierung hat sich auf eine Initiative zum Investitionsschutz geeinigt und behält sich damit Interventionen vor, wenn wirtschaftspolitische Interessen Deutschlands durch ausländische Beteiligungen verletzt werden. Nun stellt sich die Frage, was ist dran, an der Angst vor dem Ausverkauf?
Dem Mittelstand geht es gut – das belegt auch unsere diesjährige Mittelstandsstudie. Das niedrige Zinsniveau sorgt für einen einfachen und günstigen Zugang zur Finanzierung – so gaben über 80% der Unternehmer an, keine Probleme bei der Kapitalbeschaffung zu haben. Viele Mittelständler engagieren sich in technologieorientierten Branchen – und das sehr erfolgreich. Meist agieren sie in Nischen und können sich als Markführer positionieren. Der Mittelstand ist demnach für ausländische Investoren sehr attraktiv. Gerade für ein Land wie China, in dem die Industrielöhne steigen und ein Wandel vom reinen Produzenten zu einem entwickelten Industrieland angestrebt wird. Durch das langjährige Wirtschaftswachstum im zweistelligen Bereich verfügen chinesische Investoren über ausreichend Kapital. Das zeigt sich auch in den attraktiven Prämien, die bei Transaktionen gezahlt werden.
Zwar steht der Mittelstand wirtschaftlich gut da, jedoch haben die Unternehmen mit neuen Herausforderungen zu kämpfen. Die Anzahl der Unternehmer, die sich altersbedingt zurückziehen nimmt zu. Wohingegen die Anzahl interessierter Nachfolger abnimmt. Das zeigt sich auch in der voranschreitenden Digitalisierung. Mittelständische Unternehmen hinken oft hinterher. Das liegt daran, dass die Unternehmer nicht bereit sind in ein Unternehmen zu investieren wenn keine Nachfolgeregelung getroffen ist. Zudem erfolgt die Finanzierung der Digitalisierung selten über die konventionellen Wege, mit denen die Mittelständler vertraut sind. Gefordert sind alternative Finanzierungsinstrumente, da die Digitalisierung häufig nur schwer greifbar ist (Personal, Prozesse, Entwicklung) und Investitionen damit oft nicht als Kreditsicherheit dienen können. Hier mangelt es bei vielen Unternehmen an der Diversifikation der Instrumente und an der Erfahrung mit den Alternativen. Das fällt besonders ins Gewicht, da die Digitalisierung von den Unternehmern als entscheidender Wettbewerbsfaktor wahrgenommen wird. Hier bieten sich für ausländische Investoren Möglichkeiten, Kapital und Know-How einzubringen.
Befindet sich Deutschland also im Ausverkauf? Objektiv betrachtet kann diese Frage verneint werden. Laut statistischem Bundesamt sind von allen Unternehmen in Deutschland 1,1% von ausländischen Investoren kontrolliert. Diese haben mit circa 20% zwar einen hohen Anteil an den Umsätzen deutscher Unternehmen, allerdings hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass ausländisch kontrollierte Unternehmen produktiver sind. Demnach leisten diese Unternehmen einen positiven Beitrag zur deutschen Wirtschaft. Zudem ist der Anteil deutscher Unternehmen, die in der Hand asiatischer Investoren sind, deutlich geringer. Was im DAX – mit einem Anteil ausländischer Investoren von über 60% – seit Jahren zu beobachten ist, zeichnet sich aktuell in abgeschwächter Form im Mittelstand ab. Die Großkonzerne haben also schon lange Erfahrungen mit ausländischen Investoren gemacht, das kommt nun auf den Mittelstand zu. Von einem Ausverkauf zu sprechen ist überzogen, eine zunehmende Tendenz ist jedoch ersichtlich. Anstatt in die typische „German Angst“ zu verfallen ist eine Auseinandersetzung mit den Ursachen und Folgen zielführender. Eine rechtzeitige Nachfolgeplanung um das Unternehmen in eigener Hand zu behalten, kann das Problem bereits im Kern lösen. Alternativ ermöglicht die Auseinandersetzung mit den Anforderungen und kulturellen Unterschieden ausländischer Investoren eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung und eröffnet damit neue Chancen für den Mittelstand.

(Patrick Epple)